Sonntag, 13. September 2020

Bibel-Hebräisch

 Seit einiger Zeit versuche ich mir von einführender Literatur zum Bibel-Hebräisch einen Überblick zu verschaffen. Bis dato ist dieser Versuch immer an dem Umfang und insbesondere an der Einschätzung seiner akademische Qualität gescheitert. Selbst wenn man sich alle möglichen Lehrbücher zulegt, ist dadurch noch lange nicht die Frage beantwortet, welches man nun für das Selbststudium verwenden soll. Verzetteln kann man sich bei dieser Suche so sehr, daß man vielleicht eine ganze Handbibliothek zu Hause stehen hat, obwohl einige wenige Bücher für den Anfang vollkommen ausgereicht hätten. Ein schlechte Buchwahl ist zum Beispiel Sarah Nicholsons ‘Complete Biblical Hebrew’. Ein englischsprachiger Amazon-Rezensent schreibt darüber:

„Aus rein typographischer Hinsicht sind die hebräischen Vokalmarker so klein gesetzt, daß sie fast unlesbar und das Buch mit der kostenlosen Beigabe einer Lupe geliefert werden müßte. Nun aber zum methodischen Aufbau: Die Autorin verwendet ein sehr befremdliches Transkriptionssystem, das, wie ich annehme, versucht, der Aussprache für englischsprachige Menschen entgegenzukommen. Solch eine System mag in billigen Reisesprachführern beliebt sein und wird die Einheimischen garantiert vor Rätsel stellen. Dieses System ist aber für jedwedes ernste Sprachstudium absolut ungeeignet. Das vorgeschlagene System scheitert auf vielfältige Weise: Es basiert auf einer extrem vereinfachten Phonetik, die nur in groben Zügen des Althebräischen entspricht. Für ein Buch über das Bibel-Hebräisch ist die Phonologie dem modernen israelischen Hebräisch extrem nahe. Das Problem ist nicht, daß man von den Einheimischen nicht verstanden werden wird, schließlich sind sie alle schon lange tot, sondern daß die Phonologie essentiell für das Verständnis einiger grammtikalischer und orthographischer Merkmale der Sprache sind. Das System ist den Kundenwünschen komplett angepaßt und die Autorin hält es nicht einmal für nötig darauf hinzuweisen, daß es bereits gut etablierte Transliterationssysteme für das althebräische und semitische Sprachstudium gibt. Jeder, der sein althebräisches Sprachstudium, nach dem Durcharbeiten von ‘Complete Biblical Hebrew’ fortsetzen will, wird sich dieses System abtrainieren müssen und ein anderes lernen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die in Anhang 1 vorgeschlagene durchmischte Schreibung von Formen aus Block- und Kursivhandschrift. Einige Handschriftenbeispiele wären hier sicherlich angebracht gewesen. Zugegeben, ich habe das Buch nicht ganz gelesen. Dennoch habe ich auch einige Stellen gefunden, an denen die Grammatik zu stark vereinfacht wird und das Ergebnis im besten Fall verworren ist und im schlimmsten Fall in die Irre führt. Zusammenfassend muß ich sagen: auch wenn ich kein Freund des traditionellen paradigmatischen Ansatzes der Althebräischlehre bin, so erreicht das Buch sein Ziel nicht durch zu starke Vereinfachung und mundgerechte Verabreichung dem Bibel-Hebräisch-Lernenden gerecht zu werden. Althebräisch ist eine schöne und herausfordernde Sprache, die beim Lernen Mühe und Einsatz erfordert. Dieses Buch nutzt zu viele Abkürzungen. Auch wenn es jetzt schon sehr alt wird ist die vorherige Ausgabe von Teach Yourself Biblical Hebrew von R. K. Harrison aus den 1950er Jahren weitaus überlegen zu dieser neuen Ausgabe."